Im Café, auf dem Wochenmarkt, per Buchungsklick im Internet: Die Seelsorge im Kirchenkreis Lennep hat mit dem „Zentrum für Seelsorge und Beratung“ (ZeeBra) ein neues Zuhause bekommen – und viele neue Angebote.
Im „Café Sonntag“ liegt das Klappern der Teller und Tassen in der Luft. Die Kellnerinnen kommen mit vollen Frühstückstellern zu den Tischen. Hinter der Theke wartet schon der Kuchen für den Nachmittag. Es herrscht Plauderlaune. Einer der Tische ist an diesem Vormittag reserviert – für Seelsorge. Mitten im geselligen Frühstücksbetrieb haben Menschen einen Platz, denen der Alltag zu schaffen macht, die nach einem Gesprächspartner suchen oder den Kaffeebesuch ohne Begleitung leid sind. „Wir können nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen“, sagt Annette Stoll, Pfarrerin im Kirchenkreis Lennep, die sich gerade einen Kaffee bestellt hat. Statt also zu warten, gehen die Seelsorgenden an jene Orte, an denen Menschen ohnehin ihre Zeit verbringen – so wie ins „Café Sonntag“ direkt neben der Stadtkirche in Remscheid.
Gespräche unter dem Seelsorge-Geheimnis
Das helle Café mit der großen Fensterfront trägt seit seiner Wiedereröffnung das Kreuz der Diakonie in seinem Namen, das jetzt anders gelesen wird: „Café Sonntag plus“. Dreimal in der Woche ist hier ein Tisch für die Seelsorge des Evangelischen Kirchenkreises reserviert – für offene Gespräche, die unter dem Schutz des Seelsorge-Geheimnisses stehen. Gastronomin Denise Wendland hat sich ganz bewusst für das Konzept und die Kooperation entschieden: Die Räume gehöret der evangelischen Stadtkirchengemeinde, befinden sich mitten auf dem Kirchencampus in der Innenstadt und ist nun ganz bewusst eben auch für kirchliche Themen offen – wie für die Seelsorge.

Seelsorge als Haltung
Der reservierte Tisch im Café ist nicht nur Ausdruck eines neues Konzepts im Kirchenkreis Lennep, sondern auch eine von mehreren Säulen dieses Konzepts: Im Juni hat das Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZeeBra) im Kirchenkreis eröffnet – das weniger ein Gebäude beschreibt als eine Haltung. „Bisher war Seelsorge meistens an Institutionen gebunden“, erklärt Pfarrerin Annette Stoll, die das ZeeBra leitet. Vom Krankenhaus bis zur Pflegeeinrichtung: „Man musste krank sein, um ein Seelsorgeangebot zu bekommen oder die Telefonnummer eines Pfarrers kennen“, ergänzt die Pfarrerin. Als dann die Pfarrstellenplanung im Kirchenkreis zeigte, dass die personelle Lage der Zukunft auch die Seelsorge vor neue Herausforderungen stellen würde, wollten die Verantwortlichen der Entwicklung etwas Positives entgegenstellen. Seelsorge aufgeben oder zurückdrehen? Das kam für den Kirchenkreis nicht infrage. „Kirche ist die Institution, die sich auch mit Tod, Sterben, Schuld und Ohnmacht auseinandersetzt. Wir fürchten uns nicht vor diesen Themen. Und wir haben eine klare Haltung: Wir nehmen jeden Menschen vorbehaltlos an“, sagt Annette Stoll.
Mit wenigen Klicks einen Termin buchen
Statt sich also mit den Zukunftssorgen aufzuhalten, setzten sich die Verantwortlichen der Abteilung Seelsorge im Kirchenkreis und die Diakonie an einen Tisch und brachten das ZeeBra auf den Weg. Die Kernidee: Alle Interessierten im Kirchenkreis, unabhängig von ihrer Religion oder Konfession, sollen möglichst niederschwellig Seelsorge bekommen können – kostenlos, versteht sich. Es wurde eine halbe Stelle geschaffen. Ben Sulzbacher wurde eingestellt und innerhalb kürzester Zeit wurde aus einer Idee Realität. Heute können Menschen auf der Suche nach Seelsorge im Internet mit wenigen Klicks einen Termin buchen – für ein Treffen in den Räumen der Diakonie auf dem Kirchencampus, für ein Telefonat oder einen Spaziergang. „Wir erreichen so auch viele Menschen, die nicht kirchlich gebunden sind“, erzählt Ben Sulzbacher. Der Unterschied zu den stark nachgefragten Beratungsangeboten der Diakonie: „Wir sind erst mal frei von äußeren Zielen. Alles darf auf den Tisch kommen. Bei einem einmaligen Termin oder auch bei einem Folgetreffen“, erklärt Sulzbacher. Das ist die zweite ZeeBra-Säule.
Das Zentrum setzt auch auf Ehrenamtliche
Daneben hat sich das Zentrum die Ausbildung Ehrenamtlicher zu Seelsorgenden auf die Fahnen geschrieben. Ein erster Kurs läuft bereits – die Nachfrage von Freiwilligen aus dem ganzen Kirchenkreis war groß. „Man braucht für diese Aufgabe Werkzeug“, weiß Annette Stoll. Und genau das bekommen die Ehrenamtlichen während des Kurses an die Hand – um dann im Krankenhaus, in der Pflegeeinrichtung, im Café oder in der freien Seelsorge an anderer Stelle im Einsatz zu sein. Dank der Ehrenamtlichen erfüllt das ZeeBra schon jetzt eine weitere Aufgabe, die zum Konzept dazugehörte: die Gemeinden im Kirchenkreis mitnehmen. Die Seelsorge-Angebote sollen vernetzt werden. Das Zentrum will evangelische Angebote im Kirchenkreis mit bewerben. Und das ZeeBra will Gesicht zeigen – auf den Wochenmärkten, mit einem Eltern-Café, mit Vorträgen, mit Gesprächsangeboten in Kooperation mit der Stiftung Tannenhof.
Die Resonanz ist bisher richtig gut: Die Menschen buchen die freie Seelsorge, freuen sich über das Gespräch im Café. Vertreter aus Politik und Gesellschaft haben positive Rückmeldungen gegeben. Viele Ehrenamtliche signalisieren Lust, mitzumachen. „Und das zeigt uns“, sagt Annette Stoll, „es ist gut, in diesen Zeiten neu zu denken, statt zu resignieren.“
Dieser Beitrag ist der aktuellen Ausgabe des Magazins EKiR.info für die Mitglieder der Presbyterien entnommen. Das komplette Oktoberheft finden Sie zum Download hier.
