Martinstift in Moers: Mahnmal erinnert an sexualisierte Gewalt

Düsseldorf/Moers. Am 8. Oktober wird am früheren Moerser „Martinstift“, der heutigen Musikschule, Filder Straße 126, 47447 Moers, um 15 Uhr ein Mahnmal enthüllt. Es erinnert an die sexualisierte Gewalt, die Jungen in dem damals dort ansässigen diakonisch-evangelischen Schülerheim in den 1950er-Jahren erlitten haben. Zudem erinnert das Mahnmal an das anschließende Schweigen der dahinterstehenden Organisationen von Kirche und Diakonie zu den Taten.

„Das Mahnmal soll uns vor Augen führen und halten, was damals geschah und wie es dazu kommen konnte. Denn wir wollen niemals wieder Bedingungen zulassen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen“, sagt Wolfram Syben, Superintendent des Kirchenkreises Moers. Neben den Erinnerungsworten finden Vorbeikommende daher an der Stele einen QR-Code vor. Dieser verlinkt die Studie zur Aufarbeitung der Taten. Die im Jahr 2023 veröffentlichte unabhängige Studie untersuchte die Gewalttaten und die dahinterliegenden Strukturen wissenschaftlich und wurde von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, dem Kirchenkreis Moers und der Evangelischen Kirchengemeinde Moers in Auftrag gegeben.

Ein Betroffener der damaligen Gewalt wird bei der Übergabe des Mahnmals an die Öffentlichkeit anwesend sein und sprechen. Den musikalischen Rahmen wird eine Dozentin der Moerser Musikschule gestalten.

An der Eröffnung nehmen darüber hinaus teil:

Antje Menn, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Beauftragte der Kirchenleitung für den Themenbereich Sexualisierte Gewalt,

Kirsten Schwenke, Vorständin der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe,

Mitglieder des Presbyteriums der Kirchengemeinde Moers

und Wolfram Syben, Superintendent des Kirchenkreises Moers.

Hintergrund: In dem früheren Alumnat, einem Internat für Jungen, waren Schüler in den Jahren 1953 bis 1955 der sexualisierten, sadistischen, körperlichen und seelischen Gewalt des Heimleiters des damaligen Martinstifts ausgesetzt. Dieser wurde im Jahr 1956 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Doch die Vorgänge wurden anschließend innerhalb von Kirche und Diakonie verschwiegen und die Schüler mit dem, was sie erlitten hatten, alleingelassen.

Aufarbeitung wurde durch ehemalige Schüler ausgelöst

Die Aufarbeitung der Vorfälle begann im Jahr 2019 mit der Meldung ehemaliger Schüler. Verantwortliche der rheinischen Landeskirche, der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, des Kreissynodalvorstandes (Leitungsorgan) des Kirchenkreises Moers und der Kirchengemeinde Moers tauschten sich mit den Betroffenen aus, unterstützten die Recherchen und gaben schließlich  eine externe wissenschaftliche Studie bei Forschenden der Bergischen Universität Wuppertal in Auftrag.

Damaliger Hausmeister brach das Schweigen

Diese wurde im Jahr 2023 veröffentlicht und zeigt, wie Strukturen, Wegschauen und Feigheit die damaligen Taten des Heimleiters über einen Zeitraum von zwei Jahren ermöglichten. Eine wirksame Aufsicht, die die Willkür des Heimleiters hätte beenden, oder eine Stelle, an die sich die Schüler und ihre Eltern hätten wenden können, fehlte. Das pädagogische Personal war fachlich nicht ausgebildet oder unterqualifiziert. Es war der damalige Hausmeister des Martinstifts, der das Schweigen brach und die Vorgänge zur Anzeige brachte. Auch nach dem Prozess gegen den Heimleiter, der für große öffentliche Aufmerksamkeit in der Bundesrepublik sorgte, wurde das Geschehene von den damals Verantwortlichen aktiv „beschwiegen“ und damit aus dem Bewusstsein verdrängt. In kirchlichen und diakonischen Verlautbarungen findet sich keine Notiz davon. Die Studie nennt das „institutionellen Narzissmus“.

  • 25.09.2025
  • Egbert Schäffer, Presse- und Öffentlichkeitsreferent Kirchenkreis Moers
  • EKiR/Archiv, Ekkehard Rüger