Kneipenquiz und Mitsingnachmittag, Klavierkabarett und Kirchenkino: Die Evangelische Kirchengemeinde Leverkusen-Mitte hat eine Aktionswoche zum Thema „Einsamkeit“ umgesetzt – an ungewöhnlichen Orten und mit großer Resonanz.
Eine Dame bestellt noch schnell ein kaltes Bier, macht es sich dann auf dem Hocker gemütlich und blickt sich in der vollen Kneipe um. „Ich bin zum ersten Mal hier und kenne auch niemanden“, erklärt sie der Sitznachbarin an ihrem Tisch, „aber ich dachte: Heute probierst du es aus.“ Also hat sie sich an diesem regnerischen Donnerstagabend zu Fuß auf den Weg zum Irish Pub „Notenschlüssel“ gemacht – unweit der Leverkusener Innenstadt. Und jetzt sitzt sie am Tisch mit zwei anderen Damen, die sich bereits aus dem Gemeindeleben kennen und kommt vorsichtig ins Gespräch.

Die Stimmung ist bestens, völlig Fremde rätseln miteinander
Die Evangelische Kirchengemeinde Leverkusen-Mitte hat zum „Biblischen Kneipenquiz“ eingeladen – und dafür die eigenen vier Wände verlassen. Einen Abend lang rätseln die Besucherinnen und Besucher in der urigen Kneipe, auf Barhockern und mit einem irischen Bier oder einer bunten Limonade in der Hand. Es ist richtig voll geworden. Am Ende bleibt kein freier Platz. „Ein Viertel der Menschen hier haben wir noch nie zuvor gesehen“, wird Pfarrer Detlev Prößdorf später sagen, aber jetzt schlüpft er erstmal mit seinem Kollegen Siegfried Eckert in die Rolle der Quizmaster. Jeder, der mitmachen will – und das sind an diesem Abend alle Kneipengäste – hat einen Zettel bekommen und kann sich bei jeder Frage zwischen vier verschiedenen Antworten entscheiden. Das Quiz ist anspruchsvoll und Beratung untereinander ausdrücklich erwünscht. Nach jedem Fragenblock laden die Quizmaster die kleinen Gruppen an den Tischen und an der Bar ein, den Platz zu wechseln und nochmal mit anderen Menschen in der Kneipe ins Gespräch zu kommen. Die Stimmung ist bestens, völlig fremde Menschen rätseln miteinander über biblische Fragen.
Verschiedene Veranstaltungen für verschiedene Menschen
Der Kneipenabend in Leverkusen gehört zu einer Aktionswoche der evangelischen Kirchengemeinde: Die „Woche gegen Einsamkeit“ wartet mit einem geballten Programm auf. Neun Termine in einer Woche. „Wir wollen verschiedene Menschen mit verschiedenen Veranstaltungen ansprechen“, erklärt Prößdorf die Idee. Die Gemeinde sei es gewohnt, die eigenen vier Wände zu verlassen, mit Kooperationspartnerinnen und -partnern zusammenzuarbeiten und vor allem die Kulturszene mit einzubeziehen: Genau dieses Netzwerk kommt auch in der Aktionswoche zum Tragen. Flankiert von Gottesdiensten am ersten und letzten Sonntag, finden sich in der Woche ein Mitsing- und Begegnungsnachmittag für Senioren, ein Kinder-Theater, ein Abend der Jugend mit Präventionsexpertin, ein Klavierkabarett mit Detlev Prößdorf für alle, das Kneipenquiz, ein Kirchenkino und die Einladung zum Fahrradpilgern nach Altenberg.
Man braucht: Lust zum Ausprobieren und Rausgehen
Was es für die Umsetzung der „Woche gegen Einsamkeit“ braucht? „Vor allem Begeisterung“, sagt Detlef Prößdorf, der genauso wie Kollege Pfarrer Siegfried Eckert alle Hände voll zu tun hat in dieser Woche. „Und man braucht Lust zum Ausprobieren und zum Rausgehen“, sagt er. Die Gefahr, dass es mal leer bleibe, dürfe einen nicht abschrecken. Und natürlich sei auch das starke Netzwerk der Gemeinde bei Projekten wie diesen sehr wichtig. „Man darf nicht nur in seiner Gemeinde-Bubble unterwegs sein“, sagt der Pfarrer. Der Erfolg dieser Idee zeigt sich während der Aktionswoche: Bei jeder Veranstaltung tauchen auch Menschen auf, die im Gemeindealltag sonst nicht sichtbar sind.
Die große Herausforderung: Menschen Anschluss zu ermöglichen
Das sei eine der großen aktuellen Herausforderungen, sagt Pfarrer Prößdorf: Menschen, die einsam sind oder von Einsamkeit bedroht, wieder den Anschluss zu ermöglichen. Die Digitalisierung verstärke das Problem und mache den direkten Kontakt zwischen Menschen immer seltener. Auch Seniorinnen und Senioren, die nicht mehr so mobil wie früher seien, würden häufig darunter leiden, alleine zu sein. „Einsamkeit ist wie eine Gefängniszelle“, sagt Prößdorf, „sie ist aber von innen zu öffnen.“ Genau darauf setzt die Kirchengemeinde in Leverkusen auch mit ihrer Aktionswoche: Sie will es den Menschen erleichtern, die Türe zu öffnen und einen Schritt nach vorne zu gehen – ins Kino, in die Kneipe, in die Kirche. Damit die Menschen in Leverkusen auch von dem geballten Programm erfahren, hat die Gemeinde einen Flyer aufgelegt und ordentlich die Werbetrommel gerührt.
Was hilft gegen Einsamkeit?
„Wir wünschen uns, dass diese Woche nachklingt“, sagt Prößdorf. Auch deswegen liegen beim Kneipenquiz auf den Tischen Postkarten, die die Gemeinde hat drucken lassen. „Was hilft gegen die Einsamkeit?“, steht auf der Vorderseite und lässt auf der Rückseite viel Platz für die Antworten der Besucher. Die Dame, die sich an diesem Abend zum ersten Mal über die Türschwelle der Kneipe gewagt hat, lächelt zufrieden, als das Pfarrer-Team am Ende des Quiz bereits die Preise verteilt. Dann notiert sie nur zwei Worte auf ihrer Karte: „Dieser Abend“.
Auf der Website sinnundsegen.de gibt es eine Themenseite für alle, die Hilfe bei Angst, Wut, Trauer und Einsamkeit suchen. Dort sind Hilfsangebote, Kontakte zu Beratungsstellen und vieles mehr aufgelistet und erläutert.
